Unibarometer 2020

Einblicke in die Ergebnisse des Unibarometers 2020 für das Lehramtsstudium an der MLU

Das Evaluationsbüro der MLU hat gemeinsam mit Interessenvertreter*innen verschiedener Bereiche der Universität zum Ende des vergangenen Sommersemesters eine umfangreiche Umfrage unter Studierenden, Lehrenden und weiteren Mitarbeiter*innen zu ihren Erfahrungen mit der Lehr-, Lern- und Arbeitssituation seit Beginn der COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen des Universitätsbetriebs durchgeführt. Studierende und Lehrende sind seit dem Sommersemester 2020 unerwartet mit einer Situation konfrontiert, in der digitale Medien nicht nur das Spektrum der Lehre erweitern, sondern sich für diese als schlichtweg unverzichtbar erweisen. Vor diesem Hintergrund waren wir als Projekt, welches die Digitalisierung als Thema in der Lehrkräftebildung nachhaltig verankern möchte, daran interessiert, wie vor allem Lehramtsstudierende und Lehrende beteiligter Fakultäten mit diesen Herausforderungen umgegangen sind.

Insgesamt haben sich 3206 Studierende, 701 Lehrende sowie 438 weitere Beschäftigte an der Umfrage beteiligt. Das entspricht einem Rücklauf von 19 % der Studierenden, 28 % der Lehrenden und 27 % der sonstigen Mitarbeiter*innen. Unter allen Teilnehmenden befinden sich auch 734 Studierende aller Lehramtsstudiengänge sowie 517 Lehrende aus den an der Lehrer*innenbildung beteiligten Fakultäten.

Der nachfolgende Beitrag bezieht sich auf die Umfrageergebnisse für das Lehramtsstudium. Hierfür wurden sämtliche Teilnehmer*innen an der Studierendenbefragung gesondert betrachtet, die angaben, ein Staatsexamen im Bereich Lehramt anzustreben. Ergänzend wurden Ergebnisse aus der Lehrendenbefragung herangezogen, sofern die Befragten einer der an der Lehrkräftebildung beteiligten Fakultäten, also den Philosophischen Fakultäten I bis III, den Naturwissenschaftlichen Fakultäten I bis III sowie der Theologischen Fakultät, angehören; eine Erhebung auf Institutsebene war aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich. Eine allgemeine Auswertung der Umfrageergebnisse findet sich unter https://www.prorektoratsl.uni-halle.de/evaluation_von_studium_und_lehre/universitaetsbarometer/.

Eine Zusammensetzung der hier betrachteten Teilnehmer*innen nach studierter Schulform bzw. Fakultätszugehörigkeit kann den Abbildungen 1 und 2 entnommen werden. Die studierten Schulfächer erwiesen sich für die Erklärung der Ergebnisse indessen als ungeeignet, da diese nicht isoliert, sondern in Kombination belegt werden. Das führt vor allem bei den Ergebnissen für das Sekundarschul- und Gymnasiallehramt zu Problemen: Hier weisen selbst die am stärksten vertretenen Kombinationen (Deutsch, Geschichte: 16; Mathe, Physik: 15; Deutsch, Ethik: 12; Biologie, Mathe: 12; Biologie, Englisch: 12; Biologie, Deutsch: 10) zu geringe Häufigkeiten auf, als dass diese statistisch aussagekräftig wären. Interessant für diese Gruppe ist jedoch, dass ein großer Teil der Befragten Fachkombinationen angegeben hat, die seitens des Studienprogramms zumindest nicht vorgesehen sind; größtenteils handelt es sich dabei um Kombinationen dreier Fächer, ohne dass eines davon ein ergänzendes Fach wäre (wie beispielsweise Astronomie oder Deutsch als Zweitsprache für das Gymnasiallehramt). Insgesamt ergeben sich so 167 genannte Fachkombinationen, zum Teil mit nur einer oder zwei Nennungen.

Verteilung-TN-Schulform
Abb. 1: Teilnehmer*innen an der Studierendenbefragung nach Schulform
Verteilung-TN-Fakultaet
Abb. 2: Teilnehmer*innen an der Lehrendenbefragung nach Fakultät

Digitales Studium, Lehrformate und Methoden

Die Mehrheit der befragten Studierenden aus den Lehramtsstudiengängen (63,4 %) konnten im Sommersemester 2020 alle Lehrveranstaltungen, die sie besuchen wollten, digital wahrnehmen; dabei nahmen 61,9 % der Befragten an mehr als sechs Seminaren, Vorlesungen und sonstigen Formaten teil. Von den 12 %, die angaben, dass sie neben digitaler auch analoge Lehre wahrnehmen konnten, haben die meisten eine oder zwei Präsenzveranstaltungen besucht, überwiegend (51 %) auch in Kombination mit mehr als sechs digitalen Veranstaltungen.

Durchschnittlich bewerteten die Studierenden der Lehramtsstudiengänge die kurzfristige Umstellung auf digitale bzw. alternative Lehrformate auf einer fünfstufigen Skala als mittelmäßig bis gut gelungen (arithm. Mittel = 2,55; Median = 2; 2 ≙ gut gelungen); nur Studierende der Lehramtsstudiengänge für Förderschule neigten diesbezüglich vermehrt zu einer Einstufung als mittelmäßig (x̅ = 2,78; Median = 3; n = 103). Dem steht gegenüber, dass 67,3 % angaben, dass sie das Studium im Sommersemester 2020 im Vergleich zu vergangenen Semestern als anstrengender bzw. viel anstrengender empfanden.

Als häufigstes Format von Lehrveranstaltungen wurden von 34,8 % der Studierenden Arbeitsaufträge via E-Mail, StudIP und/oder ILIAS genannt, mit 24,7 % landete die Kombination von Videoaufzeichnungen und Arbeitsaufträgen auf dem zweiten Platz, dicht gefolgt von Arbeitsaufträgen mit wöchentlichem Webinar (Videokonferenz) mit 23,8 % der Nennungen. Genuin synchrone Formate finden sich demnach erst an dritter Position des Rankings der häufigsten Umsetzungsformen.

Insgesamt haben jedoch rund 70 % der befragten Studierenden angegeben, dass Videokonferenzen Bestandteil des von ihnen im Sommersemester 2020 wahrgenommen Studienprogramms waren. Ebenfalls je ca. 70 % gaben an, dass in ihren Lehrveranstaltungen zudem mit Screencasts, Veranstaltungsaufzeichnungen und den Funktionen des Lernmanagementsystems Ilias gearbeitet wurde. All diese Formate stuften 45 bis 50 % der Studierenden zugleich als für künftige Semester wünschenswert ein. Immerhin noch 40 % der Studierenden erhoffen sich auch den fortgesetzten Einsatz von E-Klausuren, deren Anwendung sich im Vergleich zu vorherigen Semestern von ca. 25 auf rund 80 % mehr als verdreifacht hat. Wurden multimediale Angebote zur Verfügung gestellt, so nutzten diese rund 90 % der Studierenden (bzw. rund 80 % der Studiengänge des Förderschullehramts) eigenen Angaben zufolge mindestens zur Hälfte, viele sogar zu mehr als 74 %.

Als besonders problematische Lehr-Lernsituationen nannten die Teilnehmenden übereinstimmend Diskussionen (Lehrende: 69 %; Studierende: 74 %), Übungen (Lehrende: 40 %; Studierende: 38 %) sowie Gruppenarbeiten (Lehrende: 37 %; Studierende, erwartungsgemäß um einiges höher: 68 %). 43 % der Studierenden gaben darüber hinaus an, dass auch Referate im digitalen Format zu Schwierigkeiten führten, wohingegen nur 22 % der Lehrenden diesbezüglich Probleme sahen.

Digitales Lehren und Lernen: Kompetenzen und Weiterbildung

Die meisten Studierenden gaben an, dass sie die nötigen technischen Kenntnisse für ein digitales Studium bereits besitzen. Das deckt sich mit den Antworten auf die Frage nach den eigenen technischen Kompetenzen für das digitale Studium: Anhand einer fünfstufigen Skala schätzen 63,6 % der Befragten ihre diesbezüglichen Kompetenzen als überdurchschnittlich bis hoch ein, weitere 21,9 % verorteten sich im Mittelfeld (x̅ = 2,29; Median = 2; die Einschätzung durch die Lehrenden decken sich mit diesen Angaben: x̅ = 2,33 Median = 2). Statt an allgemeinen EDV-Weiterbildungsangeboten liegt ihr Interesse daher – so die Antworten auf offene Fragen nach fehlenden Kompetenzen und Unterstützungswünschen für ein digitales Studium – bei der professionellen Nutzung spezifischer Programme (fast 40 Nennungen) wie Präsentations- und Videobearbeitungssoftware sowie dem didaktisch sinnvollen Einsatz digitaler Medien (rund 20 Nennungen). Angesichts dessen ist es nicht verwunderlich, dass über alle Befragten hinweg ein zumindest ausgeglichenes Interesse daran besteht, zusätzliche Kompetenzen zur Erstellung und Nutzung von E-Learning-Inhalten – beispielsweise im Rahmen von ASQs oder in Form eines ‚E-Learning-Passes‘ – zu erwerben: So gaben 36,8 % der Studierenden anhand einer fünfstufigen Skala an, dass sie großes bis sehr großes Interesse daran hätten, weitere 28,2 % ordnen sich im Mittelfeld ein (x̅ = 3; Median = 3).

Vor dem Hintergrund der grundsätzlich vorhandenen technischen Fähigkeiten wurde auch mehrfach der Wunsch geäußert, selbst in der Lage zu sein, auftretende Hard- und Software-Probleme lösen zu können – gegebenenfalls auch unter Zuhilfenahme entsprechender Informationen, für die häufig ein weitreichenderes Technikverständnis vonnöten ist.

Die veränderte Lehr-Lern-Situation bedeutet für die Studierenden jedoch nicht nur, Geräte und Programme beherrschen zu müssen, um dem Studienprogramm folgen zu können. Mangelnde persönliche Kontakte sowie der damit einhergehende reduzierte oder zumindest erschwerte Austausch mit Kommiliton*innen und Lehrenden (85,7 % fehlt die Interaktion mit anderen Studierenden, 83 % die persönliche mit Lehrenden in Präsenz) stellten auch neue Anforderungen an die selbstorganisatorischen Fähigkeiten der Studierenden (über 30 Nennungen). So wurde rund 60 mal explizit der Wunsch nach mehr Motivation im Sinne des eigenen Antriebs geäußert; unter anderem im Zusammenhang mit asynchronen Lehrformaten und beispielsweise bedingt durch die fehlende Trennung von Studium und Freizeit (61,1 % können das Studium in ihrer Freizeit häufiger nicht vergessen als vor dem Sommersemester 2020; rund 45 % gaben an, dass die Belastung ihres Privatlebens durch das Studium zugenommen habe) und eine insgesamt reduzierte Bereitschaft zur aktiven Teilnahme der Lernenden im Rahmen synchroner Formate wie Videokonferenzen. Im Gegensatz dazu schätzen rund 80 % der Studierenden ihre persönlichen Kompetenzen im Bereich Selbstorganisation und -motivation sowie Zeitmanagement anhand einer fünfstufigen Skala als mittelmäßig bis hoch ein (x̅ = 2,58; Median = 2). Auch diese Angaben decken sich mit der Fremdeinschätzung durch die Lehrenden mit einer leichten Verschiebung zur Mittelkategorie (x̅ = 2,77; Median = 3).

Hinsichtlich fehlender Kompetenzen und gewünschter Weiterbildungsangebote ergibt sich aufseiten der Dozierenden ein sehr ähnliches Bild, was Hard- und Software-Kenntnisse anbelangt: So bezogen sich über die Hälfte der 208 abgegebenen Freitextantworten auf technische Kompetenzen, wobei der Fokus auch hier weniger auf allgemeinen Kenntnissen als auf spezifischen Anwendungen liegt. Den Erfordernissen der digitalen Lehre entsprechend führen dabei die Themen Videoaufzeichnung und -bearbeitung (rund 30 Nennungen) und ILIAS (fast 40 Nennungen) das Feld an. Bezüglich des Lernmanagementsystems wünschen sich die Lehrenden, dessen Funktionen wenn nicht vollumfänglich zu beherrschen, dann doch zumindest über diese Bescheid zu wissen. 33 Teilnehmer*innen gaben darüber hinaus an, dass sie Interesse an didaktischen Weiterbildungsmöglichkeiten zum Thema digitale Lehre haben. In diesem Zusammenhang wurde auch speziell auf die Integration bzw. Umsetzung diskursiver Elemente als Ersatz des Seminargesprächs in Präsenz verwiesen. Die diesbezüglichen Unsicherheiten decken sich mit den Aussagen der Studierenden hinsichtlich der geringen aktiven Lernenden-Teilnahme in Online-Seminaren; dadurch erhielten diese einen kommunikativ stark einseitigen Charakter zugunsten der Lehrendenseite erhielten. Daran schließt auch das Bedürfnis nach mehr Feedback an, welches von beiden Seiten geäußert wurde. Einerseits wünschen sich die Studierenden (ausführlichere) Rückmeldungen zu geleisteten Übungsaufgaben, andererseits suchten die Lehrenden nach unkomplizierten Möglichkeiten anonymes Feedback zu ihrer Lehre einzuholen.

Ausblick

Die Fortbildungswünsche der Lehrenden wie auch der Studierenden sind einerseits sehr divers und fokussieren je spezifische Anwendungen und Fertigkeiten. Andererseits besteht ein großes Interesse unter den Dozierenden, das Lernmanagementsystem Ilias vollumfänglich kennenzulernen und dessen Potenziale so gut wie möglich auszureizen. Eine Möglichkeit, diesem Wunsch nach Detailwissen v.a. auch praxisorientiert nachzukommen, sehen wir beispielsweise in Form offener Lehr- bzw. Lernwerkstatt-Formaten im Anschluss an Einführungsveranstaltungen zu unterschiedlichen Themen. Auf diese Weise können individuelle Interessen adressiert und Studierende wie Lehrende bedarfsorientiert bei ihren konkreten Projekten begleitet werden.

Darüber hinaus könnten gerade jetzt, wo digitale Lehre auch an einer Präsenzuniversität wie der MLU kein Nischenthema mehr ist, sondern auf eine breitere Basis an praktischen Erfahrungen trifft, moderierte Online-Communities oder Groups of Interest eine Möglichkeit sein, Fortbildungsformate sinnvoll zu ergänzen und Interessierte unterschiedlicher Themen miteinander in Kontakt zu bringen. Mit über 45 %, die einen fächerübergreifenden Austausch mit anderen Interessierten zum Thema multimedialer Lehre begrüßen würden, gäbe es hierfür jedenfalls reichlich Potenzial.


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